„Wenn die Welt brennt…“ Demonstration für eine entschlossene Klimapolitik

München, 01.12.2022 | Zwar hat die Entlassung von AktivistInnen aus Präventivgewahrsam aktuell eine gewisse Entspannung in der gesellschaftspolitischen Debatte gebracht, dennoch ist keine angemessene Bewegung insbesondere in der bayerischen Klimapolitik erkennbar. Bleibt dies so, ist mit einer Wiederaufnahme von Blockaden zu rechnen. Sieben WissenschaftlerInnen werden deshalb am 1. Dezember 2022 um 100 Sekunden vor 12 Uhr mittags vor dem Marriott Hotel München, Berliner Straße 93, „Kurzvorlesungen“ halten. Dort tagt die InnenministerInnenkonferenz, die auch über Präventivgewahrsam sprechen werden. Aus Sicht der WissenschaftlerInnen hingegen sollte sich Regierungshandeln auf eine entschlossene Klimapolitik konzentrieren.

Die Versammlungsfläche ist an der Straßenecke Berliner Straße/Schinkelstraße (gegenüber der Munich Re)

Die Uhrzeit 100 Sekunden vor 12 Uhr entspricht dem aktuellen Stand der „Weltuntergangsuhr“, einer wissenschaftlich-bildlichen Veranschaulichung dafür, wie weit die Wahrscheinlichkeit der Menschheit zur Selbstvernichtung vorangeschritten ist. Die Ortswahl vor dem Hotel, in dem die Herbsttagung der deutschen InnenministerInnenkonferenz (IMK) stattfindet, erklärt sich aus der Tatsache, dass Bayern, aktuell Vorsitz der IMK, mit unverhältnismäßiger Verhängung von Präventivgewahrsam auf die gewaltfreien Proteste der Letzten Generation reagierte und nicht mit Gesprächsbereitschaft hinsichtlich der legitimen Forderungen seitens der DemonstrantInnen. Schlimmer noch: Andere Bundesländer, zum Beispiel Berlin, wollen nun auch dieses Instrument des Präventivgewahrsams übernehmen, ebenso kommen aus der CDU, der AfD und konservativen Medien immer lautere Rufe nach dem Wegsperren der nervigen DemonstrantInnen.

Dies ist der völlig falsche Weg und er löst kein einziges der Probleme, um die es uns gehen sollte. Im Mittelpunkt sollte es an vorderster Stelle um einen sozial-ökologischen Wandel gehen, um das völkerrechtlich verbindliche Pariser Klimaabkommen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu erreichen – Es müssen große „Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“ (Vereinte Nationen, 2015) 

Beiträge zur Demonstration werden sein:

  • P. Dr. Jörg Alt SJ, Katholischer Ordenspriester, Migrationssoziologe und Sozialethiker.
  • Prof. Dr. Florian Hörmann, Maschinenbau & Verfahrenstechnik, Produktlebenszyklen in einer Postwachstumsökonomie, TH Augsburg, Scientists4Future München
  • Dr. Cornelia Huth, Ökotrophologin und Epidemiologin, langjährig tätig am Helmholtz Zentrum München und der LMU München, Scientist Rebellion Deutschland
  • Prof. Dr. Markus Krajewski, Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht, FAU Erlangen-Nürnberg
  • Prof. Dr. Michael Sterner, Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher (FENES) OTH Regensburg (sein Statement wird verlesen von Sabine Wallstein, Scientists4Future München)
  • Dr. Michael Stöhr, Physiker, Deutscher Energiesparmeister 2006, Ko-Koordinator Scientists4Future München
  • Dr. Dr. h.c. Manuela Troschke, Energie- und Osteuropa-Expertin, EU-Klimabotschafterin von Scientists4Future Deutschland

Ablauf der Demonstration

100 Sekunden vor 12 Uhr: Beginn der Kurzvorlesungen (jede ca. 5 Minuten). Während dieser Kurzvorlesungen besteht keine Gelegenheit zu Interviews der sieben RednerInnen.

13 Uhr: Mittagspause der InnenministerInnen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann wurde vorab per Mail gebeten, die Redebeiträge in Empfang zu nehmen, entweder an der Polizeiabsperrung oder indem er (einige der) RednerInnen am Hoteleingang trifft. Bis zum Versand dieser Pressemeldung erging keine Antwort von Seiten des Ministers.

Im Anschluss besteht Gelegenheit zu Interviews der sieben RednerInnen.

Autorisierte wörtliche Zitate

Folgende wörtliche Zitate können gerne verwendet werden:

Statement P. Dr. Jörg Alt SJ

„Wenn die Welt brennt, löst Wegsperren von KlimaaktivistInnen keines der Probleme, auf das diese Menschen aufmerksam machen wollen. Die Klimakatastrophe lässt sich nicht wegsperren, mit Naturgesetzen lässt sich nicht verhandeln: Hier helfen weder Stigmatisierungen noch politische Absichtserklärungen, vielmehr brauchen wir hier Lösungen, und zwar schnell!“

Statement Prof. Dr. Florian Hörmann

„Wenn die Welt brennt, hilft es nicht, auf die Lösungsstrategien zu setzen, die uns in die Krise geführt haben. Daher liegt die Herausforderung unserer Zeit darin, mit neuen Lösungsstrategien einen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten. In deren Mittelpunkt steht das rechte Maß des Handelns innerhalb der planetaren Grenzen, während die Technik eine unterstützende Rolle einnimmt.“

Statement Dr. Cornelia Huth

„Wenn die Welt brennt, verstärkt das ‚Weiter so‘ die Katastrophe. Bayern wie Deutschland gehört noch immer zu den Ländern, die pro Kopf am meisten Treibhausgase emittieren. Die im Pariser Klimaabkommen vereinbarte größtmögliche Ambition bei Klimaschutzmaßnahmen ist in Deutschland nicht annähernd erkennbar. Der Protest von Klima-Aktivist:innen ist deshalb nicht nur gerechtfertigt, sondern dringend notwendig!“

Statement Prof. Dr. Markus Krajewski

„Wenn die Welt brennt, müssen wir die Gefahr bekämpfen und nicht die wegsperren, die auf die Gefahr aufmerksam machen. Auch wenn sich bestimmte Straßenblockaden als rechtswidrig erweisen sollten, muss der Rechtsstaat mit verhältnismäßigen Mitteln reagieren. Ich hoffe, der Verfassungsgerichtshof urteilt bald über unsere Klage gegen das PAG in diesem Sinne.“

Statement Dr. Dr. h.c. Manuela Troschke

„Wenn die Welt brennt, macht das Feuer nicht an Grenzen halt. Die Klimapolitik von Deutschland erinnert an die Anfänge der Industrialisierung – der Eine emittiert die Schadstoffe und ist weit weg, der Andere hat den Schaden und ist weit weg. Jetzt aber gilt: Niemand ist weit weg und jeder hat den Schaden.“

Statements im Wortlaut und Fotos

Die Kurzvorlesungen im Wortlaut (ggf. mit Belegfußnoten und Bibliographie) sowie Fotos der Veranstaltungen werden im Verlauf der Veranstaltung in einem Google-Drive Ordner gesammelt und öffentlich zugänglich gemacht. Unter Nennung der RechteinhaberInnen können Sie sich gerne daraus für Ihre Berichterstattung bedienen.

Link zum Google-Drive Ordner, der ab 100 Sekunden vor 12 Uhr Mittags freigeschaltet wird: https://drive.google.com/drive/folders/1LjAB0uVZAUpUYuehhZJ_Oe7juGXbHZvL?usp=sharing

Hintergrund

Seit dem 10. Oktober 2022 kommt es deutschlandweit u. a. zu Blockaden von Straßen und Flughäfen durch WissenschaftlerInnen und AktivistInnen. In Bayern wurde darauf mit der Verhängung von bis zu 30 Tagen Präventivgewahrsam reagiert. Präventivgewahrsam ist, vereinfacht gesagt, ein Mittel, mit dem Menschen, die möglicherweise Straftaten begehen werden, bis zu zweimal 30 Tage weggesperrt werden können, ohne dass überhaupt eine Prüfung der Strafbarkeit ihrer Handlung stattfinden muss. Die Einführung dieser Möglichkeit wurde seinerzeit mit der Notwendigkeit der Bekämpfung und Vorbeugung von Terrorismus und anderen schweren Gewaltverbrechen begründet. Vom Einsatz zur Unterbindung des gewaltfrei ausgeübten Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit war nie die Rede.

Zwar sind die Proteste diese Woche in Berlin und München ausgesetzt und deshalb im Gegenzug die ursprünglich bis 2.12. Inhaftierten vorzeitig entlassen worden. Wenn aber keine politischen Lösungen für das Anliegen der Demonstrierenden gefunden wird, ist von einer Wiederaufnahme von Blockaden auszugehen.

Weiterführendes/Literatur

Weltuntergangsuhr: https://de.wikipedia.org/wiki/Weltuntergangsuhr

Vereinte Nationen (2015): Übereinkommen von Paris. 2015. Online verfügbar unter https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/paris_abkommen_bf.pdf, zuletzt geprüft am 29.11.2022.

Für Rückfragen steht zur Verfügung Jörg Alt SJ, 0911 2346-189 (ggf. auf Handy weitergeleitet).