Stellungnahme von Scientists for Future zu Lützerath
Berlin, 11.01.2023 | Eine Gruppe von WissenschaftlerInnen der Scientists for Future (S4F) hat heute morgen in einem Offenen Brief an den Ministerpräsidenten von NRW, die Stellvertretende Ministerpräsidentin und den verantwortlichen Ressort-Minister dazu aufgerufen, die Räumung von Lützerath mit einem Moratorium zu stoppen. Innerhalb von 24 Stunden unterzeichneten trotz der Kürze der Zeit über 700 WissenschaftlerInnen das Schreiben.
Der Text mit allen Unterschriften findet sich hier: https://de.scientists4future.org/offener-brief-ein-moratorium-fuer-die-raeumung-von-luetzerath/
Text des Offenen Briefs:
An
Herrn Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen,
Frau Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen,
Herrn Herbert Reul, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen
Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen wir es als unsere Pflicht an, auf die Konsequenzen einer Räumung von Lützerath hinzuweisen.
Wir stellen die Frage nach den gesellschaftlichen Kosten einer erzwungenen Räumung. Welche Wirkung hat die Räumung im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der deutschen Klimapolitik? Lützerath ist ein Symbol geworden. Es geht um ein aussagekräftiges Zeichen für die notwendige Abkehr vom fossilen Zeitalter.
Es gibt substanzielle wissenschaftliche Zweifel an der akuten Notwendigkeit einer Räumung. Mehrere wissenschaftliche Gutachten [1, 2, 3, 4, 5] kommen zu dem Schluss, dass ein Abbau der Braunkohle unter Lützerath für eine technische Versorgungssicherheit und Netzstabilität nicht nötig, sondern politisch bestimmt ist. Vielmehr steht die Förderung und Verstromung dieser Kohle einer am Pariser Klimaabkommen und dem europäischen Klimagesetz ausgerichteten Energiepolitik entgegen. Die Verschärfung des europäischen Emissionshandels vom 18.12.2022 auf minus 62 Prozent THG-Emissionen im Stromsektor bis 2030 (bezogen auf 1990) lässt mindestens fraglich erscheinen, ob Kohleverstromung in Deutschland bis 2030 noch wirtschaftlich sein wird [6].
Der Umstiegspfad auf erneuerbare Energien sollte sich somit insbesondere an einem deutschen und europäischen CO₂-Budget ausrichten, das mit den Klimazielen von Paris im Einklang steht und ethisch vertretbar ist [7].
Wir empfehlen ein Moratorium der Räumung.
Dieses bietet die Chance für einen transparenten Dialogprozess mit allen Betroffenen zur Entwicklung von zukunftsfähigen Pfaden der gesellschaftlichen Transformation und Zeit für die Überprüfung der zugrunde liegenden Entscheidungsprämissen. Die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimapolitik würde wesentlich gestärkt werden – international und besonders bei der jungen Generation.
Ansprechpartner:innen:
- Prof. Dr. Pao-Yu Oei, Leiter Forschungsgruppe FossilExit und Koautor von Studien zum rheinischen Braunkohlerevier, , 01577-2856573
- Catharina Rieve, Mitarbeiterin der Forschungsgruppe FossilExit und Koautorin von Studien zum rheinischen Braunkohlerevier, , 01577-0446226
- Dr. Heiko Brendel, Politikwissenschaftler und Historiker, Digital Humanities Center der Universität Tübingen,
- Karl-Martin Hentschel, Autor “Handbuch Klimaschutz” und “Wie kann Nordrhein-Westfalen auf den 1,5-Grad-Pfad kommen?”, , 0151-5908 4268
- Dr. phil. Christina West, Wissenschaftliche Leiterin der Energie-Akademie im Reallabor DELTA, University of Applied Sciences Darmstadt. , 0175 5661035