Im Kontext der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland im April 2023 wurde gefordert, Atomenergie weiterhin zum Erreichen von Klimaschutzzielen einzusetzen, und damit etwaige Auswirkungen auf den Strompreis zu begrenzen. International wird außerdem oftmals argumentiert, Atomenergie könnte eine ausgleichende Rolle in einem Energiesystem mit hohem Anteil erneuerbarer Energie spielen (Dong et al., 2021; El-Emam et al., 2024). Diese Veröffentlichung analysiert die betriebswirtschaftlichen Kosten von Kernkraft im Kontext der Energietransformation hin zu einem von erneuerbaren Energien dominierten Stromsystem. Politisch relevante Kostenpositionen wie externe Umweltkosten, Versicherungskosten, Rückbau- und Entsorgungskosten werden dabei nicht betrachtet.
Die Erzeugungskosten für Elektrizität setzen sich zusammen aus Investitionskosten (inklusive Finanzierungskosten), arbeitsabhängigen Betriebskosten sowie Vorhaltekosten. Kernkraftwerke haben wegen ihrer sehr hohen Investitionskosten auch hohe arbeitsbezogene Gesamtkosten. Strom aus Kernkraftwerken ist bei hoher Auslastung teurer als die mittleren Stromkosten in einem System auf Basis rein erneuerbarer Energieträger – jeweils unter Berücksichtigung der Gesamt-Systemkosten inklusive Gewährleistungskosten der Versorgungssicherheit z. B. durch Speicher und Kraftwerke, welche der Absicherung dienen.
Der Bedarf an Grundleistungs-Erzeugung, d. h. einer dauerhaft und konstant betriebenen Erzeugungs-Leistung, geht mit dem weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien zurück und verschwindet bei hohen Anteilen vollständig. Bereits für 2030 soll der elektrische Gesamtbedarf Deutschlands zu 80 % durch regenerative Stromerzeugung gedeckt werden, für 2035 sind 100 % vorgesehen (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022). Einsatzzeiten potenzieller neuer Kernkraftwerke verringern sich damit in Zukunft systematisch und es ergeben sich steigende Kosten je kWh erzeugter elektrischer Energie. Nutzungsoptionen mit vollständiger Auslastung von Kernkraftwerken, wie z. B. eine dauerhafte Wasserstoffproduktion, sind im Wettbewerb mit preiswerter regenerativer Stromerzeugung nicht konkurrenzfähig.
Ein Kostenvorteil gegenüber dem Neubau von Wind- und PV-Kraftwerken ist in der Regel auch bei einer Laufzeitverlängerung nicht zu erwarten. Dies aufgrund hoher Ertüchtigungskosten zur Verlängerung der Laufzeit. Dies ist z. B. in den USA der Fall, wo zwischen 2009 und 2021 zwölf Kernkraftwerke aus wirtschaftlichen Gründen vom Netz gingen, obwohl diese noch über verbleibende Laufzeiten von 10 bis 20 Jahren verfügten (Böse et al., 2024).
Die durchgeführte Kostenanalyse legt nahe, dass Kernkraftwerke durch ihre hohen Investitionskosten keine komplementäre Rolle zu erneuerbaren Energien in einem CO2-freien Stromsystem darstellen. Der Kostennachteil wird dabei mit steigenden Anteilen erneuerbarer Energien immer größer, sodass Kernkraftwerksbetreiber einen Anreiz haben, den Ausbau erneuerbarer Energien sowie auch verstärkte Stromsparmaßnahmen zu behindern. Dieser Aspekt wird bei Hennicke et al. (2024) vertieft. Ein elektrisches Energieversorgungssystem mit Kernkraftwerken weist damit eine höhere Transformationsresistenz auf als ein System ohne Kernkraftwerke (Haywood et al., 2024).
Ausführliche Details des Diskussionsbeitrages auch zum Download im Wissenszentrum.
Autor:innen:
Peter Klafka, Peter Hennicke (Wuppertal Institute), Björn Steigerwald (TU Berlin und DIW Berlin) und Christian von Hirschhausen (TU Berlin und DIW Berlin)