Ohne Fernwärme sind Klimaschutzziele kaum erreichbar

Die Wärmewende in Einklang mit den Zielen von Paris zu bringen, erfordert vollen Einsatz. Individuelle Wärmepumpen mit zusätzlichem, echtem Grünstrom reichen nicht aus. Grüne Fernwärme ist eine weitere Schlüsseltechnologie für die Wärmewende. Fernwärme leistet bereits heute einen großen Beitrag zur Minderung von Treibhausgasen und muss mittel- und langfristig vollständig auf Wärmequellen ohne Treibhausgasemissionen umgestellt werden.

Das Herz jeder Fernwärmeversorgung ist ein Wärmenetz. Dieses besteht aus isolierten Rohrleitungen, die meist unter der Straße verlegt sind. In den Rohrleitungen fließt gereinigtes warmes Wasser. Dieses übergibt die Wärme an die zu beheizenden Räume oder an Warmwasserbereitungsanlagen.

Bei Wärmenetzen handelt es sich um eine zusätzliche Infrastruktur zu Strom-, Gas-, Kommunikations- und Wasserleitungen. Damit bieten Wärmenetze eine Möglichkeit, Kommunen gemeinschaftlich auch mit Wärme zu versorgen. Wie bei der Strom- und Wasserversorgung wird so eine effiziente und günstige Versorgung in vielen Fällen überhaupt erst möglich.

Grün wird die Fernwärme allerdings erst mit geeigneten Versorgungstechnologien. Diese stellen Wärme zum Beispiel auf Basis unvermeidbarer Abwärme, tiefer Geothermie, großen Solarthermieanlagen und mit Hilfe von mit Grünstrom versorgten Großwärmepumpen, die Umwelt- und Abwärme nutzen, bereit. Aber nicht nur diese Umwelt- und Abwärme nutzenden Technologien helfen, den Klimaschutz voranzubringen. An Tagen mit besonders hohem Wärmebedarf können diese Wärmequellen durch grüne Power-to-heat Anlagen ergänzt werden sowie durch die Verbrennung von grünem Wasserstoff und nachhaltig gewonnenem Holz. Auch die grüne Kraft-Wärme-Kopplung kann in Engpasssituationen der Stromversorgung eingesetzt werden .

Fernwärmeversorger achten darauf, die Wärmeverluste im Wärmenetz möglichst gering zu halten. Das stellt sicher, dass hohe Emissionsminderungen trotz des zusätzlichen Aufwands für den Betrieb des Wärmenetzes erreicht werden.

Dezentrale Wärmepumpen als Individuallösung in einzelnen Gebäuden benötigen lokale Wärmequellen und starke Stromanschlüsse. Diese sind nicht überall vorhanden oder günstig erschließbar. Fernwärme ermöglicht eine effiziente Wärmewende auch dort, wo Wärmepumpen nicht sinnvoll sind. Zusätzlich sind Wärmenetze die Voraussetzung für die Nutzung der riesigen Wärmemengen, die aus unvermeidbarer Abwärme und mitteltiefer und tiefer Geothermie oder Flusswasserwärme zur Verfügung gestellt werden können. Oft ist auch das Niederspannungsnetz zu schwach, um die Wärmepumpen in allen Gebäuden einer Straße oder eines Quartiers zu versorgen. Dann wird sich immer die Frage stellen, ob die Anlage eines Wärmenetzes nicht energetisch und wirtschaftlich günstiger ist als der Ausbau des Stromnetzes. 

Verbraucherschützer kritisieren immer wieder die angeblich zu hohen Kosten der Fernwärme. Die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Finnland zeigen, wie die Kostenfrage der Fernwärme so gelöst werden kann, dass es die günstigste Form der grünen Wärmeversorgung ist. Letztlich liegt es damit an der deutschen Politik, die Rahmenbedingungen für die grüne Fernwärme so zu reformieren, dass Ihre Vorteile auch in Deutschland der Bevölkerung im vollen Umfang zugutekommen.

Autor: Dr. Andrej Jentsch, RG Münster, beschäftigt sich seit 2007 intensiv mit der wissenschaftlichen Bewertung von Versorgungstechnologien. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im Bereich Fernwärme.