Scientist for future hat durchaus Wirkkraft entwickelt – das lässt sich nach über viereinhalb Jahren feststellen. Aber auch, dass der nächste Entwicklungsschritt schon lange überfällig ist. Vor diesem Hintergrund ist eine Bestandsaufnahme mehr als sinnvoll. Vor zwei Jahren haben sich drei Wissenschaftler:innen der Universität Osnabrück – unter ihnen Laura Herzog, seinerzeit die erste S4F-Fördervereinsvorsitzende – vorgenommen, die Scientists for Future mal genauer zu untersuchen. Einige werden sich erinnern: im Sommer 2021 hatten sie dazu einen (digitalen) Fragebogen in das S4F-Netzwerk hinein verschickt.
Die Erkenntnisse ihrer Analyse haben die Osnabrücker Wissenschafterler:innen in der „Politischen Vierteljahresschrift“ veröffentlicht. Die Ausgangsfrage formulieren sie so: „Wir gehen in diesem Beitrag davon aus, dass die S4F-Initiative darauf abzielt, die Unzufriedenheit sowohl mit vorherrschenden Entscheidungsprozessen als auch mit der Substanz dieser Entscheidungen zum Ausdruck zu bringen.“
Anhand von Daten aus einer Umfrage unter Mitgliedern dieser Bewegung im Sommer 2021 untersuchen sie die Motivationen und Perspektiven zur Rolle von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in demokratischen Prozessen und ihre Einstellungen zu einem reformistischen oder radikaleren Weg hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft und nachhaltiger Entwicklung.
Herausgefunden haben sie: „Unsere Analyse zeigt, dass die Mehrheit der S4F eher demokratische Reformen als grundlegende Systemänderungen unterstützt. Darüber hinaus präferieren die meisten Befragten eine übergeordnete Rolle wissenschaftlicher Expertise gegenüber breiten partizipativen Praktiken. Insgesamt zielen die S4F auf die Diversifizierung der politischen Debatten ab, um den Einfluss wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Umwelt- und Klimapolitik zu erhöhen.“
Das liest sich schon fast wie eine Selbstverständlichkeit, aber die eigentliche Botschaft ist alles andere als business as usual: „Während Wissenschaftler:innen in der Vergangenheit als Berater:innen von politischen Entscheidungsträger:innen an der Politikgestaltung teilnahmen, ist die Bildung einer sozialen Bewegung eine bisher beispiellose Form der Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse.“ (Herv. durch uns) Das sollte uns erstens zu denken geben und zweitens Motivation genug sein, jetzt erst recht der lahmen Politik in die Wade zu beißen.
Die vollständige und lesenswerte Studie ist hier zu finden: Herzog, L., Lenschow, A., und J. Pollex. 2023. „Between Science, Movement, and Democracy: Scientists for Future in the Politics-Society Interface“, Politische Vierteljahresschrift, https://doi.org/10.1007/s11615-023-00464-4
Autor: Franz Ossing