„Wir wurden schneller aktuell, als wir es uns wünschten.“

Scientists for Future werden drei Jahre alt

Berlin, 12.03.2022 | Krisen überall: Durch Klimachaos verschärfte Hitzesommer mit Flutkatastrophen, Winter mit Corona-Pandemie aus einer Zoonose, und nun ein Angriffskrieg mit tiefen geopolitischen Wurzeln. Anlässlich des heutigen dritten Jahrestags ihrer Gründung heben die Scientist for Future (S4F) den Zusammenhang in diesem krisenhaften Geschehen hervor: Erstens, wie vernetzt und damit voneinander abhängig die globalisierten Volkswirtschaften heute sind, und zweitens, wie direkt menschliche Gesundheit und Sicherheit mit natürlichen Ressourcen und Ökosystemen zusammenhängen.

Am 12. März 2019 stellten die Scientist for Future gemeinsam mit Vertreter:innen von Fridays for Future (FFF) auf Einladung der Bundespressekonferenz ihren Text „Die Anliegen der demonstrierenden jungen Menschen sind berechtigt“ der Öffentlichkeit vor. Die zentrale Aussage war, dass die jungen Menschen von FFF den aktuellen Wissensstand korrekt verstanden hatten: „Als Wissenschaftlerinnen und Wissen­schaftler erklären wir auf Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse: Diese Anliegen sind berechtigt und gut begründet. Die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei weitem nicht aus.“ Die Stellungnahme war bis dahin von 26 800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz unterzeichnet worden. „Wir sahen es als unsere Verantwortung an, die hochengagierten jungen Menschen zu unterstützen, insbesondere in dem Moment, wo ihre Forderungen als illusorische Vorstellungen uninformierter Schüler:innen abgetan wurden, die besser zurück in die Schule gehen sollten“, sagt Gregor Hagedorn, einer der Gründer und treibende Kraft hinter der Stellungnahme. „Erst später wurde uns klar, dass wir danach nicht einfach aufhören konnten, und dass wir S4F als einen Verbund engagierter Wissenschaftler:innen für die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen weiterführen sollten.“ Zumal sich auch Wissenschaftsfeindlichkeit immer lautstärker meldete.

Für alle beteiligten Forscher:innen war die Breite des Anliegens der FFF beeindruckend: „Der in den Medien verwendete Begriff ‚Klimastreik ‘ war von Anfang an zu eng. Die junge Generation hat eine erstaunlich klare Sicht darauf, dass und wie wir Menschen die stabilen Umweltbedingungen der letzten 10.000 Jahre aufs Spiel setzen. Sie sehen auch klar, dass Verursacher und Leidtragende der sich entfaltenden Krisen oft nicht dieselben sind, dass Umweltprobleme also immer auch Gerechtigkeitsfragen sind“, ergänzt Mitgründerin Maja Göpel. Somit ist auch der von der UN benutzte Begriff „Nachhaltigkeitskrise“ treffender, denn er beschreibt ein weitgreifendes, globales Problem, in dem die Klimakrise nur ein – wenn auch zentraler – Aspekt ist.

Vielfach ist aber das Ausmaß dieser Krise noch nicht bewusst. Aus wissenschaftlicher Sicht hat die Nachhaltigkeitskrise buchstäblich erdgeschichtliche Dimension. Innerhalb von einem Jahrhundert hat der Mensch unseren Planeten so weit verändert, dass das System Erde naturgesetzlich einen neuen Zustand anstrebt. Falls wir nicht handeln, weist unser Planet uns eine Rolle zu, die zu seiner naturgesetzlichen Dynamik passt. Wenn wir jetzt aktiv werden, haben wir noch die Möglichkeit, diesen Platz für die Menschheit zu gestalten. Die Wissenschaft ist auch hier eindeutig: wir haben nur noch ungefähr eine Dekade Zeit, umzusteuern. Das ist der Grundgedanke, der die Wissenschaftler:innen bei S4F antreibt.

Auch die Politik muss erst lernen, dass angesichts der weltumspannenden Größe der Krise die herkömmlichen Mittel und Wege politischen Handelns nicht mehr ausreichen. Der Krieg in der Ukraine zeigt uns das sehr drastisch.

Fossile Energie hat keine Zukunft mehr – die Scientists for Future haben schon früh auf die Gefahren jenseits des Klimawandels hingewiesen, die in der Energieversorgung stecken. „Unsere Warnungen wurden schneller aktuell, als wir es uns wünschten“, sagt der S4F-Energie-Experte Volker Quaschning, auch er gehört zu den S4F-Gründern. „Fossile Energien sind nicht nur klimarelevant. Sie haben aufgrund nationaler Abhängigkeiten, im Export wie im Import, ein enormes Konfliktpotential, wie die derzeitigen kriegerischen Auseinandersetzungen zeigen.“ Die Abhängigkeit des gesamten Wirtschaftssystems von fossilen Energien und die über Jahre aufgebauten Monostrukturen müssen und können schnell ab- und umgebaut werden.

Die Gründung der S4F vor drei Jahren blieb nicht wirkungslos. Mittlerweile gibt es S4F-Organisationen in neun europäischen Ländern, in Australien, Kanada, den USA und in der Türkei. Mit ihren Stellungnahmen, Positionspapieren und Analysen trugen S4F zu Debatten auf der COP26, im Europäischen Parlament, in Bundestagsdebatten bei. Die Themen reichen von der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU über die Verwendung von Kernkraft als Mittel im Kampf gegen die Klimakrise bis hin zum Wiederaufbau im Ahrtal nach der klimabedingten Flutkatastrophe – vom regionalen über den nationalen bis hin in den internationalen Raum. Bei S4F aktive Forscher:innen sind auf der lokalen und regionalen Ebene tätig, aber ebenso im Rahmen des UN-IPCC und -IPBES. Gregor Hagedorn: „Wir haben alles, was wir brauchen: das Wissen, die Technologien, die Mittel und vor allem die menschliche Kreativität. Wir brauchen jetzt den Mut, konsequent an einem Strang zu ziehen und die richtige Dosis anzuwenden, statt uns mit Scheinlösungen zu beruhigen.“

Ansprechpartner*in:

Dr. Gregor Hagedorn, email:

Prof. Dr. Maja Göpel, email:

Prof. Dr. Volker Quaschning, email:

Webadresse dieser Seite: https://de.scientists4future.org/3-jahre-s4f/


Scientists for Future (S4F) ist ein überparteilicher und überinstitutioneller Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen, die sich für eine nachhaltige Zukunft engagieren. Scientists for Future bringt als Graswurzelbewegung den aktuellen Stand der Wissenschaft in wissenschaftlich fundierter und verständlicher Form aktiv in die gesellschaftliche Debatte um Nachhaltigkeit und Zukunftssicherung ein. Mehr Informationen unterde.scientists4future.org.